Schockwellen aus dem Norden
Süddeutsche Zeitung
Gunnar Herrmann

Ulkopoliittisen instituutin johtaja Teija Tiilikainen kommentoi Süddeutsche Zeitung -lehdessä 22.8. ulkoministeri Erkki Tuomiojan lausuntoa siitä, että Suomen hallitus myös valmistautuu euron kaatumiseen.

 

Mit seinen Äußerungen über ein Ende des Euro hat Finnlands Außenminister Tuomioja große Aufregung verursacht.
Seine Landsleute sehen die Sache gelassener und stehen laut Umfragen fester denn je zur Währung und zur EU

Das Störfeuer kommt aus Helsinki. Schon wieder. Dieses Mal war es ein Interview des finnischen Außenministers Erkki Tuomioja, das in der vergangenen Woche Schockwellen durch Europas Hauptstädte schickte. Im Gespräch mit dem Daily Telegraph hatte der Sozialdemokrat angedeutet, es gebe in seiner Regierung bereits Pläne für die Zeit nach einem Zusammenbruch des Euro. In der aufgeheizten Krisenstimmung wurden aus seiner Aussage schnell Schlagzeilen wie: „Finnischer Minister: Die Euro-Zone wird auseinanderbrechen”. Der Politiker ruderte zwar gleich nach dem Erscheinen des Interviews zurück. Er habe doch nur sagen wollen, dass man auf alles vorbereitet sei – so wie jede gute Regierung. Und die Redaktion des Telegraph habe das dann wohl etwas zugespitzt. Aber der Schaden war trotz solcher Beschwichtigungen bereits passiert.

Tuomioja hätte eigentlich ahnen müssen, dass seine Äußerungen hohe Wellen schlagen würden. Schließlich hat Finnland während der Euro-Krise schon öfter Europa verunsichert. Das Land steht darum gewissermaßen unter besonderer Beobachtung. Da waren zunächst die Parlamentswahlen 2011, bei denen die rechtspopulistischen Wahren Finnen mit EU-feindlichen Parolen fast 20 Prozent der Wählerstimmen erhielten. Später folgten die schwierigen Verhandlungen um die Rettungspakete für Griechenland und Spanien, bei denen Finnland spezielle Sicherheiten verlangte. Und in der innenpolitischen Debatte des Landes melden sich inzwischen nicht nur die Rechtspopulisten, sondern auch Politiker anderer Parteien immer wieder mit scharfer EU-Kritik zu Wort. Alles zusammen hat die Partner in den anderen Euro-Ländern verunsichert. Wird das finanzstarke Finnland, das als einziges Euro-Land noch nie die Maastricht-Kriterien verletzt hat, noch mehr Geld für die Rettung der Gemeinschaftswährung bereitstellen? Oder wird Helsinki künftige Hilfspakete behindern? Vielleicht gar die Finnmark wieder einführen, wie das im Präsidentschaftswahlkampf im Frühjahr ein Kandidat der Zentrumspartei gefordert hatte? Mit einem Veto hätte Finnland jedenfalls durchaus die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen in Brüssel zu blockieren.

Teija Tiilikainen, Leiterin des Außenpolitischen Instituts in Helsinki, meint, solche Befürchtungen seien unbegründet. „Die Grundlinien der Regierungspolitik haben sich ja nicht verändert”, sagt sie. Finnland werde weiterhin konstruktiv an der Lösung der europäischen Probleme mitarbeiten und nicht zu einem Bremsklotz werden. Etwas anderes sei kaum vorstellbar. Zum einen, weil es in der Bevölkerung eine wachsende Unterstützung für Europa gebe, die von Umfragen belegt werde. Aber auch wegen der grundsätzlich EU-freundlichen Haltung der konservativen Sammlungspartei von Ministerpräsident Jyrki Katainen. Sie ist der mächtigste von insgesamt sechs Koalitionspartnern.

Die Episode um Tuomiojas Äußerungen zeigt aber, dass sich die Mitglieder der Koalition gerade in EU-Fragen nicht immer einig sind. Der finnische Präsident Sauli Niinistö erteilte einem Ausstieg aus der Euro-Zone am Dienstag eine Absage. „Es ist keine Lösung, aus dem Euro auszusteigen”, sagte er. Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Interviews hatte sich bereits der konservative Europaminister Alexander Stubb zu Wort gemeldet, um seinen Kollegen zu korrigieren. „Finnland steht 100-prozentig zum Euro und dazu, Lösungen für die Krise zu finden”, erklärte Stubb. Und er bedauerte Tuomiojas „Spekulationen”, die keinesfalls repräsentativ für die Regierung seien. Stubb war bis zur Wahl 2011 selbst Außenminister, musste dann aber nach der Koalitionsvereinbarung den Posten an den Sozialdemokraten abgeben. Als Europaminister arbeitet Stubb aber weiterhin im selben Ministerium wie Tuomioja. Manchmal entsteht der Eindruck, dass die Behörde eine Doppelspitze hat. In Kommentaren war jüngst gar von einer „Kakofonie” die Rede.

Die Gegensätze sind jedoch nicht neu. Die finnischen Sozialdemokraten waren in ihrer Europapolitik schon immer gespalten. Und Tuomioja gehörte stets zu denen, die die Union mit kritischer Distanz betrachteten. Die Einführung des Euro lehnte er Ende der Neunzigerjahre sogar ab. Doch damit konnte er sich nicht gegen den damaligen Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Paavo Lipponen, durchsetzen, der als Ministerpräsident den Weg Finnlands in die EU vorantrieb wie kaum ein anderer Politiker. Inzwischen sei Tuomioja gewiss nicht mehr gegen die Gemeinschaftswährung, sagt die Politologin Tiilikainen. „Er ist mit den Jahren pragmatischer geworden und erkennt heute durchaus die Vorteile der europäischen Integration.” Allerdings gehört er nach wie vor zum europaskeptischen Flügel der Partei.

Und der hat spätestens seit der vergangenen Wahl an Einfluss gewonnen. Die Wahren Finnen haben mit ihren EU-feindlichen Parolen gerade den Sozialdemokraten viele Stimmen abgenommen. Dem versucht die Partei nun mit einer kritischeren Europapolitik zu begegnen. Die sozialdemokratische Finanzministerin Jutta Urpilainen war es dann auch, die in der Regierung auf jene Garantien drang, die heute als „Finnenpfand” bekannt sind. Sie setzte durch, dass Finnland in einem komplizierten Vertrag besondere Sicherheiten für die Hilfskredite an Griechenland und Spanien gewährt wurden. Urpilainen konnte das als politischen Erfolg verbuchen.

Ob die Garantien wirtschaftlich sinnvoll sind, darüber gehen die Ansichten auseinander. Finnland musste im Gegenzug Zugeständnisse machen. Kritiker aus der Opposition meinen darum, das Ganze sei nicht mehr als ein Täuschungsmanöver und bringe letztlich eher Nachteile. Die Vertragsdetails sind geheim, eine Bewertung darum schwierig. Ganz sicher könne man aber sagen, dass die finnische Verhandlungsposition in der EU durch solche Forderungen schwieriger geworden sei, meint Tiilikainen. „Unsere Regierung muss heute viel mehr auf die nationalen Befindlichkeiten Rücksicht nehmen als früher.”

Alles, was die Minister in Brüssel tun, wird ausführlich analysiert und hinterfragt. Europa-Politik ist ein Dauerthema in den finnischen Zeitungen. Das hat auch positive Folgen: „Im Frühjahr kam eine Umfrage zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Unterstützung der Bevölkerung für die EU innerhalb eines Jahres dramatisch gestiegen ist”, sagt Tiilikainen.
55 Prozent der Finnen gaben 2012 an, die EU-Mitgliedschaft zu unterstützen, 20 Prozent mehr als 2011. Etwa ebenso viele befürworten den Euro. Die Zahl derer, die eine Mitgliedschaft ablehnen, verharrte dagegen bei 20 Prozent. Geschrumpft sei vor allem die Gruppe, die gar keine Meinung zu Europa habe, sagt Tiilikainen. „Die Debatte über die Euro-Krise hat die Leute offenbar gezwungen, Stellung zu beziehen.”